„Eine neue Hoffnung des deutschen Jazz“, erkannte mdr kultur, was der Deutschlandfunk noch steigerte: „eine Band, die abheben wird wie eine Rakete.“ Der amerikanische Downbeat hörte „Spannung und Begeisterung“ in Vincent Meissners von seinem Mentor Michael Wollny produzierten Debutalbum „Bewegtes Feld“ aus dem Jahr 2021. Gerade mal zwanzig war da der Pianist und schon ordentlich mit Preisen dekoriert. Viel Lob, viel Ehr … Dabei hatte sein junges akustisches Pianotrio mit Bassist Josef Zeimetz und Schlagzeuger Henri Reichmann bis dahin coronabedingt kaum Gelegenheit, das reichhaltige und durchweg vom Bandleader komponierte Material live vorzustellen und zu entwickeln.
Das hat sich mittlerweile geändert, was den Spaß an der Sache noch gesteigert hat. Man hört es diesem neuen Album an, wie dieses Trio enger zusammengeruckt ist und seine Spielfreude gesteigert hat. Sofort nach den ersten Aufnahmen haben sie neue Stücke ausprobiert, Ideen getestet und wie in einem fließenden Übergang weitergemacht. Nach dem Spiel war vor dem Spiel … Josef studiert jetzt in Basel, Henri ist nach Leipzig gezogen, um an der Hochschule fur Theater und Musik Felix Mendelssohn Bartholdy weiter zu studieren, wo Vincents Lehrer im Hauptfach Klavier nun Frank Chastenier ist. Seine beiden Mentoren Wollny und Chastenier nennt Vincent „eine Superkombi“.
Die Band hat ihr Interplay entwickelt, geht die Stücke nun freier an. Durch offenere Passagen hat sich der Sound geändert. Emotionaler agieren sie und lieben komplexere Formen, in denen sie mit Strukturen spielen und Ideen fortführen, die sie teilen. So ist ein kompakter Bandsound entstanden, den sie flexibel laufen lassen können und zu soghaften songhaften Stücken verdichten. Energie und Wucht sind da, aber auch Kontemplation und Innehalt. Alles ist möglich mittlerweile. Variabel, quirlig und eng verzahnt schreitet das voran, wobei sie den Fokus fur dieses Album scharfgestellt haben fur liedhaft melodiöse Songs.
„Wille“ heißt das in treibendem Fluss durchperlende Album, dessen innere Logik besticht mit einem inneren Zusammenhalt, der beweglich, frisch und agil Authentizität transportiert. Diese drei wissen genau, dass sie viel miteinander erreichen können, wobei sie ein hoher Sympathiebonus begleitet und ihre Souveränität anfeuert. Ziel ist dabei eine markante Eingängigkeit jenseits des Banalen.
Den titelgebenden Willen dabei definiert Vincent als das „Entwickeln von gedanklichen Vorstellungen, die man durch Handeln in die Realität überträgt“, oder als „bewusste Entscheidung fur eine Handlung“. Da ist schlicht der Wille zu spielen und seinen Ausdruck zu finden, sich durch künstlerisches Arbeiten zu bekennen. Dieser Tatendrang gibt der Einspielung seine Dringlichkeit und Überzeugungskraft.
Aus einem gewachsenen Fundus hat sich das Trio fur einen konzeptionellen Rahmen entschieden, der durch eine Nähe zur Popmusik definiert ist. Deswegen wurden erstmals auch Coverversionen aufgenommen. Man höre und stau-ne nur, wie fintenreich sich die drei den durch Whitney Houston bekannt gewordenen Schmachtfetzen „I Wanna Dance With Somebody“ von George Merrill und Shannon Rubicam anverwandeln, den Beatles-Song „In My Life“ oder das ein-gängige Lied „Young Folks“ von Peter Bjorn and John. In „Things“ nehmen sie Louis Cole beim Wort: Die Dinge funktionieren nicht so, wie man denkt, entweder es geht gut oder schlecht aus, die einzige Gewissheit, die man besitzt, ist, dass es nie so läuft, wie man vermutet. Nichts an diesen Adaptionen wirkt aufgesetzt neben den Kompositionen von Vincent Meissner, der die Cover nicht aufgenommen hat als kommerzielle Verstärkungsmittel, sondern weil die künstlerische bzw. musikalische Auseinandersetzung mit externem Material umso stärker den eigenen Sound der Band manifestiert.
Das entspricht der Ehrlichkeit, mit der dieses Trio überzeugt. Offensiv wollen sie ihre Kunst präsentieren und sich positionieren. „Es ist schön, jemanden zuhören zu hören“, konstatiert Vincent Meissner nach den Liveerlebnissen der letzten Monate. Seine Stucke begreift er als Rahmen, der auszufüllen ist, als Raum, der gemeinsam durchschritten wird. Es geht darum, dass sich die Zuhörerin oder der Zuhörer in diesem Raum mit sich selbst konfrontieren kann. Das ist ein kommunikativer Vorgang, bei dem es auch um die Verteidigung der Kunst geht und um Angebote, die sie machen kann und muss. Es geht darum, Eindrucke der Gegenwart zu vermitteln jenseits der Worte, es geht um den Transport emotionaler Erlebnisse, die mit großer Selbstverständlichkeit über den konkreten Moment hinausweisen. Das neue Kapitel des Vincent Meissner Trios ist ein konsequenter nächster Schritt, der schon wieder Lust auf mehr macht. Diese Band ist auf dem Weg.
Vincent Meissner piano
Josef Zeimetz bass
Henri Reichmann drums
Kunsthaus Troisdorf